Article Number: 2590
Soft Cover, German, Thread Stitching, 120 Pages, 2010, Revolver Publishing by VVV
Clément Chéroux, Rencontres d’Arles, Museum für Photographie Braunschweig

SHOOT!

Fotografie existentiell

availability unknown, if interested please write an email

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg tauchte eine kuriose Attraktion auf den Jahrmärkten auf: der Fotoschuss. Traf ein Schütze in die Mitte der Zielscheibe, löste er eine fotografische Apparatur aus, die ihn augenblicklich und in voller Aktion festhielt. So gewann er anstelle einer Packung Pralinen, eines großen Luftballons oder eines Plüschbären ein Portrait von sich, das ihn beim Schießen zeigte. Die besondere metaphorische Aufladung des Fotoschusses entging niemandem, beruht doch die Konstellation aus Apparatur und Akt auf einer befremdlichen Nähe zwischen dem Schießen und dem Fotografieren, zwei zwillingshaften Praktiken, wovon schon die Gemeinsamkeiten des Wortschatzes zeugen: das Shooting, das Anvisieren, das Nachladen, etc. In diesem tödlichen Duell entsteht jedoch ein Bild. Betrachtet der Schütze nach dem Schuss sein Porträt, so entdeckt er darauf, wie er auf sich selbst anlegt und schießt.

Es ist gut möglich, dass die Erfinder des Fotoschusses auf die Lust ihrer Kunden setzten, anhand der fotografischen Trophäe ihr eigenes Ego in eine Zielscheibe zu verwandeln, oder – um den Preis eines Bildes – der Versuchung zu erliegen, ein Duell mit sich auszutragen, dem Kitzel nachzugeben, ihr eigener Henker zu werden und den Taumel der Selbstzerstörung auszukosten. Die verschiedenen Fotoschuss-Portraits von Jean-Paul Sartre legen nahe, dass der Autor von Das Sein und das Nichts für diese Form der Unterhaltung nicht unempfänglich gewesen war. Nicht ohne Grund, bietet doch diese Apparatur die erstaunliche Möglichkeit sich fotografisch zu verkörpern und zugleich sich symbolisch auszulöschen, eine sozusagen äußerst existentielle Form der Fotografie. Shoot ! Fotografie existentiell zeichnet die Geschichte dieses erstaunlichen Verfahrens nach, von seinen populärsten Gebrauchsweisen auf den Schießbuden der Luna-Parks bis hin zu seiner Wiederaneignung und Umfunktionierung durch die Künstler.(Clément Chéroux)

[D/ENG/FRA]