Article Number: 2232
Soft Cover, German, Staple Binding, 6 Pages, 2002, Secession
Emanuel Danesch, David Rych

DAS EXPERIMENT 3

availability unknown, if interested please write an email

Seit März 2000 beschäftigen sich Emanuel Danesch und David Rych mit Videoarbeiten von Kunstschaffenden aus den folgenden zehn Städten: Kairo / Beirut / Istanbul / Sofia / Skopje / Belgrad / Sarajewo / Zagreb / Ljubljana und Wien. Die ausgewählten Filme reflektieren die kulturelle, geographische, politische und soziale Situation der jeweiligen Städte und ihrer BewohnerInnen. In einer mobilen Videothek, die in einem ‚Taxi' installiert ist und mit der die beiden Künstler die Strecke im Herbst 2001 von Kairo nach Wien mit Stopps in den oben genannten Städten befahren, werden die Arbeiten präsentiert. Zeitgleich kündigen Plakate in der Secession die jeweiligen Stationen und Vorführtermine an.

Während ihrer Ausstellung in der Reihe "Das Experiment" vom 17. bis 27. Mai transferieren Emanuel Danesch und David Rych ihr Projektbüro in das Grafische Kabinett der Secession. Von hier aus recherchieren sie nach weiterem Videomaterial, organisieren die Autofahrt von Kairo nach Wien, planen die Präsentationen in den zehn Städten und informieren die Ausstellungsbesucher über die Entwicklung von utopia travel.

"Mit ihrem Projekt folgen die beiden Künstler Emanuel Danesch und David Rych der künstlerischen Praxis des Laboratoriums, eines Settings also, bei dem neben gewissen Strukturvorgaben das Hauptgewicht im Prozess und den dabei entstehenden Erkenntnissen oder Materialien liegt. Dabei wird das Feld der Kunst geöffnet, die Künstler stellen gleichsam einen Mix her, an dem VertreterInnen verschiedener kulturwissenschaftlicher Disziplinen von Anfang an beteiligt sind und Kunst und Wissenschaft miteinander verschmelzen sollen. Entstehung und die Reflexion darüber sind untrennbar verbunden. Die Grenzen zwischen Schaffenden und Konsumierenden, zwischen Kunstwerk und Dokumentation über dieses sollen dabei weitgehend aufgelöst werden. Das Thema ist sensibel und komplex und lässt sich kaum aus einer fixen geographischen Perspektive heraus bearbeiten: Kulturelle Identitäten entlang einer Süd-Nord-Linie, die von Afrika über den ‚Balkan' nach Wien führt. Ausgangspunkt ist Kairo und Endpunkt ist Wien, dazwischen eine Reihe von Orten, die jeweils durch einen respektvollen Blick in den ‚europäischen' Norden und einen despektierlichen Blick in den ‚afrikanischen'/‚balkanesischen' Süden aneinander gekettet sind. Seit Gramsci ist viel über die Projektionen von ‚Norden' und ‚Süden', von ‚Okzident' und ‚Orient' als kulturelle und sozio-politische Identitätsstifter geschrieben worden, sind viele Symptome dieser Dichotomien in Kunst und Literatur analysiert worden. Das Projekt utopia travel geht aber über bloße Analyse hinaus: Dem ‚Anderen' als kulturellen und politischen Identitätsstifter setzen die beiden Künstler die Utopie von homogener Gesellschaft, globaler Kultur und universaler Sprache entgegen. Nicht nur analysieren und reflektieren wollen sie, sondern mittels der Mobilität ihres Projekts Neues entstehen lassen, dieses transportieren und so alte Strukturen aufbrechen. Der Kern des Projekts ist eine dynamische Videothek, die einerseits mit vorgefundenem Material aus allen Orten arbeitet, andererseits den Prozess des Auswählens und Anschauens mit inkorporiert und reflektiert. So ist die Arbeit auch ein Kommentar zur Narrativität des künstlerischen Videos und seiner Verortung zwischen Fiktion und Dokumentation. Dokumentation über kulturelle Projektion, die aber auch selbst wieder Projektion werden kann. Ein anderer zentraler Punkt ist die Richtung des Projektes: Die in der Kunst übliche Perspektive geht immer vom Westen nach Außen, bzw. befasst sich mit der Rolle des Außen für die Definition westlicher Kunst. utopia travel startet in Kairo, das entstehende Wissen wird Richtung Europa transportiert, daher ist zu hoffen, dass hier etwas ankommt, das nicht von einem westlichen Autonomiebegriff determiniert ist und so vielleicht einen alternativen ortsungebundenen Polylog eröffnen könnte. Nicht die Reise in den Orient einfach nachvollziehen, sondern das Ziel zum Ausgangspunkt zu machen. Was wiederum nicht heißt, dass das hier Angekommene die Basis hiesiger Kunst nicht neu definieren kann."

D/E